Schuhe, Schuhe, Schuhe
Die Zweitgeborene braucht Winterschuhe.
Die Zweitgeborene hätte noch Winterschuhe, wenn sie nicht die Zweitgeborene wär.
Die Zeitgeborene hatte letzthin ihre auch diese Saison noch passenden Winterschuhe an. Dann meinte sie, mit ihren Schuhen am Lagerfeuer ein Stück brennendes, glimmendes, glühendes Holz austreten zu müssen. Wenn es nicht die Zweitegeborene wäre, hätte sie gewusst, dass man Holzkohle nicht austreten kann. Statt dessen ist die dicke Kunststoffsohle ihrer Winterschuhe angeschmolzen. Soweit ist dem Kind nichts passiert, aber meinem Portemonaie wird das mal wieder ganz schön weh tun.
Und wie sich später heraustellen wird auch meinen Nerven.
Was machen also Mutter und Tochter? Sie gehen Shoppen.
Nachdem ich meine Zweitgeborene, ja die mit den angeschmolzenen Winterschuhen, gerade noch davon abhalten konnte sich bei Primark ein paar dünne, modische, nicht zu gebrauchende Schuhe zu kaufen, musste ich natürlich mit ihr in ein richtiges Schuhgeschäft. Dieses Jahr sieht es mir wirklich mal wieder nach Winter aus und bei uns könnte es sogar Schnee geben. Derzeit ist es knackig Kalt draußen, da soll das Kind richtig warme Schuhe tragen. Sonst mault sie wieder rum, sie hat kalte Füße.
Wie später herausstellt mault sie nicht nur bei kalten Füßen.
Tochter und ich setzen uns also in Auto und fahren Richtung Schuhgeschäft mit richtigen Winterschuhen im Angebot. Während dessen denke ich so über Schuhe nach und überlege, dass ich mir entweder auch ein paar Winterschuhe kaufen könnte. Blödsinn, hab ja noch welche. Oder ich kaufe mir ein paar Pumps für das neue Kleid. Auch Blödsinn, hab auch genügend Pumps in allen Variationen.
Mutter und Tochter kommen also beim Schuhgeschäft an, steigen aus und gehen in das Schuhgeschäft rein. “Ok, geh´ Du nach Deinen Schuhen gucken.”, sage ich zur Zweitgeborenen, “Ich guck mal kurz da hinten bei 41/42. Wenn Du was gefunden hast, komm rüber und zeig es mir. Bin aber sowieso gleich wieder da.”
Und Wunder oh Wunder, die haben tatsächlich Schuhe in 41 und 42, die mir gefallen. Das ist sonst nie so. Ich habe keine Ahnung was die Schuhläden sich so denke, wer sonst so große Füße hat.
Plantschkühe? Modemuffel? Bauerntrampel? Alte Frauen?
Ich weiß es nicht, was ich aber weiß und das aus über vierzigjähriger Erfahrung ist, Schuhe in meiner Größe kaufen ist kein schönes Erlebnis. Oft einfach nur frustrierend, weil die entweder fast gar nichts oder nur so altbackenes Zeug im Angebot haben.
“Mama, guck mal die Schuhe hier, die gefallen mir. Die will ich haben!”
Oh Gott, da fängt er an, der Nervenkrieg.
Schuhe, die vermeintlich nach Winter aussehen mit einer Absatzhöhe von mindestens sieben Zentimetern. Die sehen nach Indoor-Winter oder Winter in der Karibik aus. Nicht nach Winter draußen bei Minusgraden im Schnee. Nicht nach kalten Füßen….. doch nach kalten Füßen sehen sie schon aus. Also, sie sehen wirklich nicht nach warmen Füßen morgens um viertel nach sieben an der Bushaltestelle aus, wenn man auf den Schulbus wartet.
Ich erkläre also meiner Tochter was gesucht wird. “Aber die gefallen mir alle nicht! Da gibts nix!” Ganz klar, Schuhgröße 38/39 da gibts nix. Nein nur fünf Reihen Winterschuhe. Bei mir gibts gerade mal eine Reihe…ok mit zwei Seiten, aber die Reihen der Tochter haben auch zwei Seiten. Wir gehen also gucken. Ich ziehe ihr jeden Schuh raus, der in Frage kommt, warm und ohne zu viel Absatz. Das waren am Ende mindestens zwanzig Paar, die geeignet wären. Zwanzig! Bei mir stehen insgesammt vielleicht 20 Paar Schuhe.
Die Tochter mault.
Aber sie bekommt den Auftrag alle anzuprobieren und mir vorzuführen. Ich geh dann mal wieder in mein Eck und harre der Dinge, die da kommen.
Derweil probiere ich ein paar runtergesetzte schwarze Boots an. Ein bisschen im Retrolook. Eigentlich 41, aber passen doch gut. Die nehm ich mit.
Boar, die haben aber schöne Pumps. Die probier ich an.
Keine Tochter kommt mir Schuhe zeigen.
Da ist noch ein Paar, was ist den heute los, die probier ich auch an.
Kommt immernoch keine Tochter.
Ich muss eh mal ein paar Schritte in den Schuhen laufen.
Die Tochter sitzt da und zieht ihre eigenen Schuhe, die in denen sie hergekommen ist, wieder an.
“Wolltest Du mir nicht die Schuhe vorführen?” “Bin schon fertig!”
What? Ungläubiges Staunen auf meiner Seite. Sie hat schon 20 Paar Schuhe anprobiert, ist drin gelaufen, hat sie vor dem Spiegel begutachtet und die Schuhe dann gleich wieder weggeräumt?
Wer´s glaubt! Ich nicht! Ich kenne meine Tochter.
Also beginnen wir das Spiel von vorne. Diesmal mit ein Paar Schuhen, der etwas engeren Auswahl.
Das gemaule fängt von vorne an. “Die passen nicht. Die sind häßlich. Ich will kein Rot!”, die Roten waren soooooo schön, leider nicht in meiner Größe da, “Ich will kein Blau. Ich will kein Bunt. Die sind zu hoch. Die sind zu niedrig. Ich will die mit den Absätzen. Die da haben schon zwei aus meiner Klasse. Die Schuhe hat meine Schwester, die will ich nicht.” So geht das geschlagene anderthalb Stunden. Ich ernte schon mitleidige Blicke der Verkäuferinnen. Die hatte ich wohlweislich nicht ins Boot geholt, das wär mir zu peinlich geworden. Irgendwann frage ich auf ein Hilfsangebot, ob ich auch die Tochter umtauschen könnte. Klar ginge das, allerdings nur mit Kassenbeleg.
Mist, den habe ich vor Jahren schon weggeschmissen.
Ab und an bekommt die Zweitgeborene den Auftrag, Schuhe anzuprobieren und mir vorzuführen. Was sie unter großem gemaule auch tut. Ich habe mich mal wieder zur Nervenberuhigung in mein Eck 41/42 zurückgezogen. Ach da ist sooooooo schöööön ruhig. Weil, wer hat schon so große Füße und will auch noch Schuhe kaufen? Und wieder passiert es. Was ist denn heute los? Ich finde noch ein Paar Pumps. Anziehen und wieder ein paar Schritte laufen zum Nervbeutel genannt Tochter Nummer Zwei.
Das Spiel beginnt von vorn.
Schlussendlich hat die Zweitgeborene sich für genau das Paar Schuhe entschieden, dass ihr als allerestes in die Hände fiel und das sie abgelehnt hat, weil die große Schwester ja ein Paar ähnliche Schuhe hat.
Grrrrrr.
Ich nutze die Gunst der Stunde….nee, eine Stunde hält das nicht an.
Ich nutzt die Gunst der Sekunde und schiebe die Tochter, ihre Schuhe und mich Richtung Kasse. “Bleib hier stehen! Bin sofort da!” sage ich der Zweitgeborenen, renne in mein Eck, raffe meine Schuhe auf, renne zurück zur Kasse, bezahle und scheuche die Tochter aus dem Laden ins Auto. Alles, bevor sie es sich doch wieder anders überlegt.
Ausbeute des Tages:
ein Paar Winterschuhe für die Zweitgeborene
einen Nervenkoller
und vier Paar Schuhe für MICH!
Der Businesspumps
Der Alltagspumps
Retro Pumps
Boots