Weißes Kleid mit Bommeln
Gedanken

Kritik, Selbstwert und ein weißes Kleid mit Bommeln

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Die Tage hatte ich einen Erfolg. Ein Bild von mir in einem verspielten weißen Kleid mit Bommeln wurde von Happy Size auf Facebook geteilt. Ein Foto von mir.
Bin ich jetzt ein Model? Wahrscheinlich schon.
Yay, die Modelkarriere mit dem Millionen Dollar Vertrag ist doch noch nicht außer Reichweite (Link).

Spaß bei Seite. Ich, schaue mir ganz stolz mein Bild auf der Facebookseite von Happy Size an und stelle fest, dass dort ganz viele Frauen kommentieren. Unter anderem steht dort: „…Ich sehe auf diesem Foto eine Frau mit einer Mega Ausstrahlung. Sie strahlt und fühlt sich offensichtlich wohl in ihrer Haut – das gefällt mir super gut…“, „…Ich finde das Outfit klasse. Gute Laune pur – eine Frau, die sich wohlfühlt…“, „….Luftiges Sommeroutfit und Dorit strahlt Lebensfreude pur aus! Ein ganz reizendes Foto! …und tolle Accessoires! Macht Vorfreude auf den Sommer…“. Viele weitere Kommentare in der Art stehen unter meinem Bild. Das macht mich glücklich.

Einige der Frauen, die einen positiven Kommentar dagelassen hatten, gaben an, dass sie das Outfit an sich nicht so dolle finden und so etwas nicht tragen würden. Das ist völlig in Ordnung, weil jeder Mensch hat ja einen anderen Geschmack und Stil. Das stört mich überhaupt nicht.

Allerdings gab es auch einige Kommentare, die negativ beladen waren „…Sie ist zwar dick, aber lustig…“, „…das denk ich auch immer bei solchen Fotos, was soll das Getue?…“, „…Muss man als etwas fülligere Frau immer lustig aussehen?…“, „…ich verstehe nicht, warum Designer Klamotten in Übergrößen immer besonders lustig, verspielt, kitschig (oder wie auch immer man das nennt) machen müssen…“ bis zu „…Naja, schön ist anders…“ und „…Seufz!…“ als einzige Bemerkung.

Diese Kommentare wurden in der Community nicht gut aufgenommen und auf der Happy Size Seite, wie auch in Plus Size Gruppen diskutiert und ich erhielt viele PMs mit positiven und unterstützenden Nachrichten. Nun muss ich sagen, dass ich mich von diesen Kommentaren in keinster Weise angegriffen gefühlt habe. Allerdings waren sie ein Stein des Anstoßes, mir Gedanken zu machen.

Folgendes kam dabei raus.

 

Erstens: Was wollen diese Frauen mir damit sagen?

Ganz sicher wollte keine mich als Person kritisieren.

Ganz sicher wollten sie nur die Wahl meines Outfits kritisieren.

Ganz sicher galt die Kritik lediglich dem Kleidungstück und damit nur dem Hersteller oder Designer.

Meine Kleiderwahl zu kritisieren ist zwar eine Kritik an meiner Person, aber so etwas nehme ich nicht tragisch. Besser ist es allerdings wenn man in diesem Fall deutlich macht „…Mein persönliches Outfit wäre es wohl nicht…“. Damit zweifele ich niemandes Geschmack an, sondern mache nur deutlich, dass mein Geschmack ein anderer ist.

 

Zweitens: Warum kritisieren Frauen immer gleich?

Eine interessante Frage, die mich in meinem Berufsleben tagtäglich begleitet. Warum haben Menschen, meist Frauen, schnell eine negative Kritik zur Hand und geben so wenig positives Feedback?

  1. Der Wunsch nach Aufmerksamkeit

Meiner Ansicht nach ist das ganz einfach. Sage ich etwas Schlechtes über jemanden, wird sich immer jemand finden, der auch etwas Schlechtes über diese Person zu sagen hat. Schon bekomme ich Aufmerksamkeit. Es findet sich immer jemand zum bitchen, jemand der eine negative Erfahrung gemacht hat und diese mit der Welt teilen möchte. Dabei ist es völlig egal ob diese Erfahrung der Realität entspricht oder rein subjektiv ist. Aufmerksamkeit ist der einzige Grund, negative Kritik zu üben.

  1. Der Wunsch besser zu sein als andere

Sage ich etwas Schlechtes über jemand, dann bin ich besser. Ich bin besser, weil ich kann ja kritisieren. Derzeit erkenne ich immer mehr den Sinngehalt von Sprichwörtern und daher möge doch jeder erst mal vor der eigenen Haustüre kehren. Man kritisiert nämlich immer nur dort, wo andere vermeintlich Fehler machen. Und wenn ich so schlau bin und erkenne, dass andere Fehler machen muss ich ja zwangsläufig besser sein als derjenige, der den Fehler gemacht hat.

Ich bin besser! Jaaaaaaa!
Der andere ist schlechter als ich! Hurraaaaa!!!!
Mein Selbstwertgefühl wächst.

  1. Steigerung des Selbstwertgefühles

Ist unser Selbstwertgefühl so im Keller, dass man jemand anders nieder machen muss, um sich besser zu fühlen?

Traurig, wenn es so ist.

Schauen wir uns doch einmal um, gerade sind Wahlen und alle, die etwas Negatives vorbringen bekommen Zustimmung, positive Meinungen werden von Andersdenkenden niedergeschrieben.

So ist das auch hier, man will Zustimmung und sich besser fühlen. Besser als andere. Nicht besser aus der eigenen Leistung heraus. Nur der Vergleich mit der Frau nebenan zählt. Man fühlt sich besser, wenn man jemand hat, dem man sich überlegen fühlen kann, egal aus welchem Grund. Und sei es ein weißes Kleid mit Bommeln.

  1. Missgunst

Jetzt kommt so eine dicke, alte Frau – also ich -daher, von der keiner irgendetwas weiß und wird in der großen weiten Fashionwelt gepostet, promotet und gehyped. Das kann doch nicht sein. Das darf doch nicht sein. Die Kritikerin ist der Ansicht, diese Aufmerksamkeit hat sie selbst verdient. Ich stehle der Kritikerin also ihre Aufmerksamkeit und das geht doch gar nicht.

Wie gehen solche Frauen mit dem vermeintlichen Aufmerksamkeitsverlust um? Zum einen muss die abgebildete Person (also ich) eine ganz dumme Kuh sein. Das ist ganz klar. Das muss so sein. Aber da die Kritikerin mich nicht persönlich kennt und auch sonst keine Informationen aus Print, Funk und Fern über mich hat, kann sie das nicht öffentlich sagen. Also nimmt man das Nächstbeste und kritisiert das Einzige, das man hier kritisieren kann: mein Kleid, meine Kleiderwahl und meinen Geschmack.

 

Drittens: Warum fühlen sich Frauen durch Kritik immer gleich angegriffen und schalten in den Verteidigungsmodus?

Kritik, so empfinden wir, macht uns kleiner. Kritik nagt an unserem Selbstwertgefühl. Kritik lässt die Kritikerin über uns stehen. Wir wollen aber nicht nieder gemacht werden.

Wir fühlen uns in eine Ecke gedrängt und wollen hier wieder raus, also beginnen wir uns zu verteidigen. Mit allen Mitteln.

Zuerst versuchen wir die Argumente der Kritikerinnen zu entkräften.

Wir können die Kritikerinnen aber nicht überzeugen. Wir reden und reden und argumentieren. Und nichts funktioniert. Die Kritikerin beharrt auf seiner Meinung. Wir können sie nicht umstimmen.

Wenn wir Glück haben gibt es andere Frauen, die uns bestätigen. Aber die Kritikerin hat auch Unterstützer und somit artet das Ganze zu einem Flamewar oder Shitstorm aus. Am Ende fühlt man sich kein bisschen besser, eher noch viel schlechter. Und genau das wollte die Kritikerin, sie will sich über uns erheben. Und wir haben ihr die Munition dazu geliefert, indem wir begonnen haben, mit ihr zu diskutieren.

Wir kennen das doch von uns selbst, von einer Meinung lassen wir uns sehr schwer abbringen, so ist es auch mit der Kritikerin. Die Kritikerin vertritt ihre Meinung, weil sie für die Kritikerin die einzig Wahre ist und warum sollte sie sich da überzeugen lassen, wenn ich mich als Bonus auch noch schlecht fühle.

 

Viertens: Das einzig wahre Schönheitsideal.

Nun fragt man sich, wie kommt die Kritikerin zu ihrer Kritik? Durch mein Bild? Durch mein Kleid? Oder gar durch meine Person?

Nichts von alledem.

Es ist das Schönheitsideal. Das persönliche Schönheitsideal der Kritikerin. Ich finde schön, was ich schön finde und nur das zählt.

Das eigene Schönheitsideal wird bei anderen vorausgesetzt. Es wird nicht hinterfragt, ob die Annahme, dass wir alle dem gleichen Schönheitsideal folgen, gerechtfertigt oder gar angemessen ist. Es wird vergessen, dass unterschiedliche Menschen unterschiedliche Dinge schön finden. Man geht also einfach davon aus, dass das eigene Bild von Schönheit von allen Menschen geteilt wird.

 

Wir leben gerade in einer Welt, in der sich das Schönheitsideal mal wieder wandelt. Dünn ist gut, aber Dick wird so langsam auch beachtet. In den 50er Jahren nach dem 2. Weltkrieg war dick gut, weil es ein Zeichen von Wohlstand war. Zwanzig Jahre später war Dick verpönt und Dünn war schön.

Wir sehen, dass sich Schönheitsideale wandeln.

Das eigene Schönheitsideal ist jedoch nur ein Maßstab für mich und mein Aussehen. Mein Ideal gilt nicht für andere Menschen.

Ich folge meinem Schönheitsideal. Wenn andere Menschen zufällig dasselbe Schönheitsideal haben, dann entwickelt es sich zum Trend und wird Mode.

Und dann kommt das nächste Schönheitsideal.

 

Fazit: Und nun?

Jetzt weiß ich also was die Beweggründe von Kritikerinnen sein können. Nur, wie gehe ich jetzt mit meinen Erkenntnissen um?

Ich persönlich, als Dorit setze mich sehr oft auf meine Finger und gehe nicht auf Kritik ein. Dadurch gebe ich meinen Kritikern nicht die Möglichkeit, ihre Kritik ausarten zu lassen. Wenn ich doch einmal antworte, dann bemühe ich mich, es nicht aus einer Verteidigungshaltung heraus zu tun, da ich genau weiß, dass ich die Meinung meiner Kritiker sowieso nicht ändern kann.

Ich versuche objektiv zu sein, auch wenn ich mich persönlich angegriffen fühle. Das ist schwer. Sehr schwer sogar. Aber ich bin mittlerweile 51Jahre alt und lernfähig. Ich habe so viele Shitstorms in den Social Media erlebt, dass ich mittlerweile weiß, wie diese funktionieren und darauf habe ich keine Lust. Ich habe mühselig gelernt, Kritik als das zu nehmen was es ist, nämlich eine andere Meinung. In den allerwenigsten Fällen ist eine Kritik eine „…fachmännische, objektive Beurteilung eines Produktes beziehungsweise Werkes…“ auf Grund von nachvollziehbaren Maßstäben. Üblicherweise ist Kritik „…eine nicht fachmännische, manchmal subjektive Beurteilung…[die] ausschließlich als negative Beurteilung verstanden [wird]…“ (Quelle Wiktionary).

Ich erhebe mich also über meine Kritiker, indem ich ihre Kritik zulasse und mich nicht angegriffen fühle. Dadurch wachsen mein Selbstwertgefühl und der Spaß an meinem Leben.

 

Deshalb werde ich das weiße Kleid mit Bommeln diesen Sommer tragen und ganz viel Spaß dabei haben.

Eure Dorit

Kleid, weiß mit Anjourstickerei und Bommeln
Das Kleid des Anstoßes von Happy Size
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